Eudysé-Projekt:

Partizipatives Backcasting und das strategische Management von Dissonanzen

von Ingo Neumann (Büro für Szenarioplanung, NSP), Dresden

Der Beitrag, der im Folgenden in Form einer Zusammenfassung kurz vorgestellt wird, erscheint 2015 als zweites Kapitel in dem EUDYSÉ-Buch „Wege zur Umsetzung von Res-sourceneffizienzstrategien in der Siedlungs- und Infrastrukturplanung“ (Hrsg. Georg Schiller). Er stellt den Ansatz des Partizipativen Backcasting vor, der für das Eudysé-Projekt entwickelt wurde, um das Leitbild einer ressourceneffizienten Siedlungsentwicklung im Landkreis Meißen und der Planungsregion Havelland-Fläming zu konkretisieren. Die Konkretisierung beinhaltet mehr als eine Operationalisierung und Modellierung des Leitbildes und deren Handlungsoptionen. Neben der Analyse stehen Fragen nach der Verwirklichung des Leitbildes in den Regionen im Vordergrund. Diese Fragen gehen weit über die Analyse und die Verbesserung von Routineprozessen hinaus und können nur durch Innovation, Transformation und grundlegende Neubestimmung bewältigt werden. Dabei entstehen vielfältige wandlungsimmanente Hürden und Stolpersteine, die auf dem Weg zu einer ressourceneffizienten Siedlungsentwicklung überwunden bzw. ausgeräumt werden müssen.

Die Suche nach Lösungen für analytisch lösbare „gutartige“ Probleme ist notwendig und sinnvoll, aber nicht ausreichend. Wesentlich für den Eudysé-Ansatz des Partizipativen Backcasting ist ein Umgang mit komplexen „bösartigen“ Problemen, der sich pro- und pre-aktiv mit wandlungsimmanenten Dissonanzen auseinandersetzt und in dem entsprechende (Dissonanz-) Strategien entwickelt werden. 

1. Einführung

1.1 „Multi-ra-plexe“ Herausforderungen einer ressourceneffizienten Siedlungsentwicklung

1.2 Hindernisse und Diskrepanzen bei der Verwirklichung von Leitbildern

1.3 Problemebenen von „gutartigen“ und „bösartigen“ Problemen

Einführend wird der allgemeine Ausgangspunkt von Regionen auf dem Weg zu einer ressourceneffizienten Siedlungsentwicklung skizziert. Dabei werden vielfältige, komplexe und dynamische Herausforderungen, grundlegende Hindernisse und Diskrepanzen sowie vier Problemebenen von „gutartigen“ und „bösartigen“ Problemen erläutert. Die Spannungen und widersprüchlichen Anforderungen, die hieraus erwachsen, sind wandlungsimmanent und können unter „multi-ra-plexen“ Bedingungen selten (einfach, eindeutig und sofort) aufgelöst werden.


2. Partizipatives Backcasting (Eudysé-Ansatz)


2.1 Szenarioplanung 2.0: Eine neue Generation von Ansätzen der Zukunftsforschung

2.2 Partizipatives Backcasting: Aktuelle Verfahren im Vergleich

2.3 Eudysé-Ansatz: Dissonanzorientierte Weiterentwicklung des Partizipativen Backcasting

Der zweite Abschnitt des Beitrages befasst sich mit dem methodischen Verfahren des Partizipativen Backcasting, der vor diesem Hintergrund für das Eudysé-Projekt entwickelt wurde. Das spezifische Verfahren wird zunächst in die gegenwärtige Diskussion von Zukunftsforschung und strategischer Planung eingeordnet und von der Analyse bis zur Strategieentwicklung beschrieben. Dabei wird der spezifische Ansatz auch mit anderen aktuellen Ansätzen des Partizipativen Backcasting verglichen und Veränderungsnotwendigkeiten herausgearbeitet. Charakteristisch für das Vorgehen im Eudyse-Projekt ist insbesondere der Dreiklang aus Zielen, Handlungsoptionen und Dissonanzen, die zeitgleich (und nicht sequentiell) sowie unter Berücksichtigung ihrer Wechselwirkungen im transdisziplinären Forschungs-Praxis-Verbund bearbeitet werden. 

3. Dissonanzen

3.1 Grundverständnis vom Begriff ‚Dissonanzen‘
3.2 Vier Perspektiven auf Dissonanzen und deren Ursachen
3.2.1 Inkonsistentes Wissen: Unsicherheit, Komplexität, Ungewissheit und Mehrdeutigkeit
3.2.2 Emotional-kognitive Dissonanzen: Psychologische Blockaden und Identitätskonflikte
3.2.3 Paradoxien: Organisationale Spannungen in strategischen Netzwerken
3.2.4 Dilemmata und Hypokrisie: Widersprüchliche Anforderungen in politische Reformprozessen
3.3 Zwischenfazit: Charakteristische Eigenschaften von Dissonanzen

Der dritte Abschnitt widmet sich dem zentralen Begriff des Eudysé-Ansatzes, den Dissonanzen. Dissonanzen beziehen sich nicht nur auf inkonsistentes Wissen, sondern können auch durch emotional-kognitive, organisationale und/oder politische Spannungen hervorgerufen werden. Für die Beschreibung dieser Ursachen werden vier Perspektiven auf Dissonanzen eingenommen, die den einleitend beschriebenen vier Problemebenen entsprechen. Die Perspektiven verdeutlichen die wissenschaftlichen Disziplinen, die sich – wenn auch mit unterschiedlichen Begrifflichkeiten - mit wandlungsimmanenten Widersprüchen/Inkonsistenzen befassen. Erkenntnisse aus der Zukunftsforschung, der Psychologie und Kognitionsforschung, der Organisations- und Netzwerkforschung sowie der politik- und organisationstheoretischen Forschung zum kollektiven Entscheiden und Handeln werden analysiert und im Hinblick auf mögliche Strategien ausgewertet. Aus den vier Problemebenen werden zusammenfassend drei Arten von Dissonanzen (sachlich-inhaltliche Dissonanzen, Zieldissonanzen und strategische Dissonanzen) unterschieden. Ebenso wie die Ursachen und Problemebenen können sie nur analytisch unterschieden werden. In Wandlungsprozessen überlagern und bedingen sie sich letztlich wechselseitig. Aus den vier Perspektiven werden schließlich verbindende Eigenschaften von Dissonanzen charakterisiert. 


4. Strategien

4.1 Umsetzungsstrategien: Strategisches Management von „gutartigen“ Problemen
4.2 Dissonanzstrategien: Strategischer Umgang mit „bösartigen“ Problemen
4.3 Gesamtstrategien: „Infrastuktur des Rätselns“ und ressourceneffiziente Wissensregionen

Der vierte Abschnitt befasst sich mit der Strategieentwicklung. Dabei werden Ressourceneffizienz-Strategien nach Problemarten unterschieden. Für prinzipiell lösbare („gutartige“) Problemen werden Umsetzungsstrategien entworfen, die vor Ort in einem bedingt rationalen Prozess des strategischen Managements bearbeitet werden können. Der Schwerpunkt liegt allerdings auf Dissonanz-Strategien, die nach Antworten für bösartige Probleme suchen und dabei auf die drei Arten von Dissonanzen orientieren. In diesem vierten Abschnitt wird deutlich, dass Dissonanzstrategien grundsätzliche andere (sich sogar widersprechende) Antworten benötigen als Umsetzungsstrategien für gutartige Probleme. Bösartige Probleme mit Umsetzungsstrategien zu bearbeiten, ist kontraproduktiv und kann sehr kostspielig werden. Die Gesamtstrategie beinhaltet neben einer „Infrastruktur des Rätselns“ auch den langfristig ausgerichteten Aufbau einer Wissensregion zur ressourceneffizienten Siedlungsentwicklung.


5. Fazit

Der Beitrag schließt mit einem Fazit, in dem die Möglichkeiten und Grenzen des spezifischen Back-casting-Ansatzes verdeutlicht werden. Es wird der Frage nachgegangen, unter welchen Bedingungen solche Ansätze des partizipativen Backcasting in der Lage sind, die einführend erläuterten Diskrepanzen (Global-Lokal-Kluft; Analyse-Handeln-Kluft) auf dem Weg zu einer ressourceneffizienten Siedlungsentwicklung zu überwinden.

Können prinzipiell widersprüchliche Anforderungen überhaupt erfüllt und Lösungen für prinzipiell nicht lösbare Probleme gefunden werden? Dies ist keine theoretische, sondern eine ganz praktische Frage, dem die Regionen auf dem Weg zu einer ressourceneffizienten Siedlungsentwicklung gegenüberstehen.